5,0 av 5 stjärnor
"The story of a man who was too proud to run."
Recenserad i Tyskland 🇩🇪 den 23 september 2014
Die Handlung dürfte den meisten bekannt sein, weshalb sie hier nur stichwortartig und zu Referenzzwecken verschiedener anderer Aspekte des Films wiedergegeben werden soll. Jedenfalls darf "verraten" werden, dass High Noon alles andere als ein konventioneller Western ist, er bietet keine heldenhafte Vision der Geschichte Amerikas und seines Erbes, hier wird auch nicht der Pionier und die Natur besungen. Drehbuchautor Carl Foreman, Cinematographer Floyd Crosby und Regisseur Fred Zinnemann benutzten das Westernthema in einer bisher unbekannten Strenge und Kargheit allegorisch, um eine jederzeit brüchige Gesellschaft darzustellen. Auch die scheinbare Einheit von Echtzeit und Filmzeit (tatsächlich sind rund 100 Minuten Echtzeit auf 85 Minuten Filmzeit komprimiert), sowie die dokumentarisch wirkende Photographie (Floyd Crosby hatte durchgesetzt, auf jegliche Filter zu verzichten) und das psychologisierende Spiel der Darsteller machen High Noon zu einem über das Genre hinausweisenden Werk - und zeitlos.
Drei Männer reiten in eine unbedeutende Kleinstadt irgendwo um 1880 im Westen, die Einwohner beobachten sie misstrauisch und gehen ihnen aus dem Weg. Sie kennen die drei, vor allem kennen sie den Mann, der nicht mit ihnen reitet, Frank Miller (Ian MacDonald) der etwas später mit dem Zug eintreffen soll. Sie sind die Desperados von denen Marshal Will Kane (Gary Cooper) die Stadt einst gesäubert hatte. Die Reiter passieren das Fenster des Justice of the Peace wo gerade eine Trauung stattfindet. Der soeben zurückgetretene Kane heiratet die junge Amy Fowler. Als sich die beiden das Ja-Wort geben zeigt die Wanduhr 10:33, es ist die erste Uhr in einem Film in dem die Zeit die wichtigste dramaturgische Rolle spielt. Schnitt zum Bahnhof wo der Station Master um 10:35 ein alarmierendes Telegramm erhält. Kanes Erzfeind soll hier um zwölf Uhr mittags eintreffen. Kane hatte ihn einst verhaftet worauf Miller zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe verurteilt, aber nun aus unerfindlichen Gründen nach nur fünf Jahren begnadigt wurde und zurückkehrt um Rache zu nehmen.
Bürgermeister, Richter und Freunde drängen Kane, die Stadt trotzdem wie vorgesehen zu verlassen, schliesslich würde der neue Marshal tags darauf eintreffen, weshalb die Stadt sicher sei. Nachdem Will Kane und Amy mit ihrem Buggy bereits einige Meilen hinter sich gebracht haben, kommen Kane Zweifel an der Richtigkeit dieser Entscheidung, die er nun als Flucht empfindet und realisiert, dass er sich Miller sowieso irgendwann stellen muss wenn er nicht ewig flüchten will. Als Kane den Buggy wendet kann die kurze Ehe als gescheitert gelten, zumal ihn Amy nach der Rückkehr sofort vor das Ultimatum stellt, entweder sie oder die Stadt. An diesem Sommersonntag wird Kane in 85 Minuten entscheidende Lebenserfahrungen machen. Bereits um 10:53 kauft sich Amy ein Ticket um mit dem selben Zug die Stadt zu verlassen mit dem Frank Miller eintreffen soll und zwei Minuten später stellt ihm sein Deputy Harvey Pell (Lloyd Bridges) ein weiteres Ultimatum, entweder er wird der neue Marshal oder schmeisst hin - Kane lehnt ab und Bridges schmeisst Stern und Waffe auf Kanes Schreibtisch.
Regisseur Fred Zinnemann beschrieb selbst [1] wie er den Film basierend auf drei Elementen visualisierte: 1. Die bedrohliche Atmosphäre, die den ganzen Film bestimmt, symbolisiert durch die ewig statischen Eisenbahnschienen. 2. Gary Cooper in konstanter Bewegung nach Hilfe suchend, schwarz kontrastierend gegen einen weissen Himmel. 3. Der Mangel an Zeit, die als Gegner empfunden werden muss, weshalb in fast jeder Szene mit geradezu obsessiver Präzision eine Uhr gezeigt wird. Somit gewinnt jede einzelne Minute an Bedeutung und erhöht die Spannung, hier ist kein Platz für Füllmaterial, weder szenisch noch in Dialogen.
Zinnemann hatte sich bereits in den 1930er Jahren einen Namen gemacht für low-budget Filme mit ambitioniertem Anspruch. Sein erstes A-picture The Seventh Cross (1944) der mit Spencer Tracy in Hitler-Deutschland spielt, bezeichnete er als Vorahnung für High Noon (1952): "In a country gone berserk a man is running for his life, unable to trust anyone..." [2] Offensichtlich ist High Noon kein Western der den Pionier und das weite Land besingt, er wird vielmehr bestimmt durch die wechselnden Bedingungen denen Hollywood in den frühen 1950er Jahren sowohl kulturell als auch politisch unterworfen war, was sich auch in der Handlung zeigt. Zinnemann drehte 1953 mit From Here to Eternity ein kritisches Drama über das Leben in der US Army, mit dem er Frank Sinatra endgültig zu Starruhm verhalf und insgesamt 8 Oscars einfuhr, was Zinnemann in die Top Liga amerikanischer Regisseure katapultierte.
Den eigentlichen Anstoss zur Produktion dieses Films gab ein Repräsentant der UN, der Stanley Kramer mehrfach mit der Bitte kontaktierte, einen Film über die Gründungsgeschichte der 1945 in San Francisco gegründeten Organisation zu drehen. Zu diesem Zeitpunkt hatte keiner der später Beteiligten eine inhaltliche Vorstellung, Drehbuchautor Carl Foreman war jedoch am Thema interessiert und schrieb bereits 1948 eine dreiseitige Synopsis ohne Titel in der er das politisch neutrale Vehikel eines Western als strategischen Vorwand für politische und gesellschaftliche Kritik benutzte. Dieser Grobentwurf enthielt bereits das komplette Skelett der späteren Handlung [3]. Mitte 1949 berichtete die New York Times über die fortschreitenden Pläne Kramers einen Western zu produzieren "which would tell the story of a town which died because it lacked sufficient fibre of citizenship to stand behind a man on moral grounds." [4] Damit wurde auch der Titel High Noon erstmals bekanntgegeben.
High Noon entstand in einer politisch brisanten Zeit in der Präsident Harry Truman Stärke demonstrieren wollte. Der Krieg zwischen Nord- und Südkorea führte 1950 zur Intervention der USA und endete erst 1953 mit einem Waffenstillstand. Der republikanische Senator Joseph McCarthy heizte seit 1950 im House Committee on Un-American Activities (HUAC) auf der hysterischen Suche nach angeblichen Kommunisten im öffentlichen Leben der USA die innenpolitische Stimmung auf. Auch für High Noon bleibt gerade dies nicht ohne Folgen: Drehbuchautor Carl Foreman wird im April 1951 als "unfriendly witness" vorgeladen und verweigert die Aussage. Das bringt ihn auf die berüchtigte Blacklist und führt zu Spaltungen im Team. Produzent Stanley Kramer bricht die Beziehungen ohne persönliche Begründung ab und - etwas später - auch Gary Cooper. Lediglich Fred Zinnemann bleibt bis zum Ende an Foremans Seite. Nun folgt eine öffentliche Hetzkampagne der High Noon-Gegner angeführt von John Wayne. Als Präsident der rechtskonservativen Motion Picture Alliance for the Preservation of American Ideals bekämpft er Foreman und hört nicht einmal auf, nachdem er selbst mit mit Howard Hawks als Regisseur hingebungsvoll in der Hauptrolle von Rio Bravo (1958) einen Gegenschlag gelandet hatte, der als Anti-High Noon-Film in die Westerngeschichte eingehen sollte. Sogar noch in den siebziger Jahren rühmte er sich in einem Playboy Interview seiner Mithilfe, Foreman nach England gejagt zu haben.
Für das Publikum machten vor allem die Darsteller High Noon attraktiv. Die Persönlichkeit mit der grössten Hollywood Erfahrung, von der auch High Noon profitierte, war natürlich Gary Cooper. Er war der höchstbezahlte Star in Amerika und ein geradezu globales filmisches Ikon von "understated masculinity", er galt als gradlinig, moralisch, lakonisch. Cooper war der Westerner, der Kavallerist, aber auch der solide ordinary joe. High Noon war sein 11. Nachkriegsfilm und aus mehreren Gründen war er eine Idealbesetzung für den vereinsamten Will Kane, ein eigentlich müde gewordener Held, der noch einmal über sich hinauswachsen muss. Stanley Kramers wichtigste Entdeckung war zweifellos die 21jährige Grace Kelly als Amy Kane, die direkt vom Broadway kam, keinerlei Filmerfahrung besass und anfangs noch etwas ungelenk wirkt aber durch Zinnemanns Führung plötzlich auf der Weltbühne stand und triumphierte. Katy Jurado als Kanes frühere Geliebte hatte bereits in über 40 Filmen mitgewirkt und war ein "top star south of the border". Sie kam aus einer wohlhabenden Familie und benötigte auch keinen Presse-Agenten, da sie ihre eigenen Kolumnen schrieb. Dann Thomas Mitchell als Bürgermeister, Lloyd Bridges als Hilfssheriff. Diese Schauspieler stehen vollkommen im Dienst der Handlung, sie haben kein Eigenleben, sie haben auch keinen Ausweg in eine komische Situation denn der Film ist ernst bis in die Knochen - und dies ist ausnahmsweise als Kompliment gemeint.
Der Film hat drei Handlungsstränge, zuerst die Beziehung zwischen Will Kane und Frank Miller die in einer Neuinszenierung der Vergangenheit die Gegenwart in ein explosives Gemisch verwandeln. Daraus entsteht gleich der zweite, in dem die Ehe von Will Kane und Amy unterbrochen wird, da deren Glaubensprinzipien sich nicht mit Wills Engagement für Gewalt in Einklang bringen lassen. Der dritte Handlungsstrang betrifft Kanes Beziehungen mit einer Reihe von Bürgern und deren Verhandlungen untereinander. Und da kommt auf geniale Weise Katy Jurado als Helen Ramirez ins Spiel, psychologisch und strukturell verbindet sie die drei männlichen Hauptrollen. Denn sowohl mit Kane als auch Miller und nun auch mit dem verhinderten und eifersüchtigen Deputy Harvey, dem labilsten Glied dieser Kette, hatte und hat sie romantische Affairen. In der Tat dominiert sie auf unterschiedliche Weise jeden der drei.
Aber Helen Ramirez, die Besitzerin des Hotels und Saloons, bezieht keine Stellung in diesem Konflikt, sie denkt pragmatisch, verkauft ihre Anteile und packt ihre Koffer und um 11:06 hat sie mit dem schwächlich eifersüchtigen Harvey Schluss gemacht. Kane erhält eine einhellige Abfuhr von den Gästen des vollbesetzten Ramirez Saloon und seine weitere Suche nach Deputies bleibt ebenfalls erfolglos. Sein ehemaliger Deputy Sam Fuller lässt sich aus Angst von seiner Frau verleugnen. In der ebenfalls vollbesetzten Kirche zeigt man ihm zwar mit vielen Worten Verständnis, aber dies ist hohl und vor allem von kommerziellen Interessen geprägt. Letztendlich kommt die Gemeinde zum Ergebnis, dass es für alle das Beste sei, wenn Kane die Stadt sofort verlässt. Kanes Vorgänger und langjähriger Freund Mart Howe (Lon Chaney Jr.) verweist auf seine Arthritis und betont, er wäre deshalb eher hinderlich. Mit jeder Verhandlung und Ablehnung verrinnt wertvolle Zeit und Kane wird zunehmend verzweifelter und bitter enttäuscht über seine Freunde, die sich in ihren Häusern verbarrikadieren. Es wird ruhig in Hadleyville.
Auch wenn die erste Stunde des Films nicht von herkömmlicher Action bestimmt wird, ist jede Minute bedeutungsvoll und konzentriert, dass man einfach mit Kane mitlebt. Jede Minute hat ihre Symbolik und eigene Spannung und fordert vom Zuschauer äusserste Konzentration, man spürt am eigenen Leib, wie Kane die Zeit davonläuft, seine Enttäuschung wächst, er wirkt zwar nicht mutlos, aber man sieht und fühlt wie er langsam an der Situation zu verzweifeln droht, sodass er vor der Abfassung seines Testaments fast zusammenbricht. Es ist 11:55 und die Schnitte werden rasanter, vom Uhrenpendel in Kanes Büro zu den ewig statischen und bedrohlichen Bahnschienen, zu den Desperados die zum letzten Mal ihre Waffen inspizieren, zur leeren Mainstreet, Grossaufnahme der Fullers, Grossaufnahme von Mart Howe. Um 11:58 Grossaufnahmen von Helen Ramirez und Amy Kane, zurück in Will Kanes Büro und den Sessel in dem einst Frank Miller Rache schwor - in diesem Moment pfeift der ankommende Zug.
In diesem Moment fällt aber auch plötzlich auf, dass der andere Hauptdarsteller Frank Miller, während einer vollen Stunde nicht einmal aufgetreten ist. Sein Charakter wurde lediglich durch Gespräche und andere verbale Hinweise gezeichnet, es gibt weder irgendeine Einleitung noch Rückblenden, was ihn zu einer irgendwie abstrakten Bedrohung macht. Wollte Drehbuchator Foreman durch den physisch abwesenden Frank Miller die unheimliche Bedrohung des HUAC und die Kapitulation Hollywoods kommentieren oder demonstrieren? Immerhin war er Zeuge, wie weit über hundert bedeutende Schauspieler, Regisseure, Drehbuchautoren und andere boykottiert und teilweise ruiniert wurden. Denn HUAC wollte genau wie Frank Miller radikal aufräumen.
Dann Schnitt auf Will Kane, der allein und verlassen in der Mitte der Main Street steht. Nun folgt die berühmteste Einstellung des Films indem die Kamera von einem Kran langsam nach oben geführt wird, wodurch Kane kleiner und kleiner und machtloser wirkt.
Pünktlich um 12 Uhr mittags trifft Frank Miller ein, zunächst sieht man ihn nur von hinten um die Neugier zu erhöhen bevor er sich umdreht und sein pockennarbiges Gesicht zeigt. Gleichzeitig steigen Amy Kane und Helen Ramirez in den Zug. Nun marschieren die Desperados auf die menschenleere Stadt um Kane zu suchen. Kane überlistet zwei der Bande und erschiesst sie. Dann wird er von einer Kugel getroffen und geht zu Boden. Bevor ihn der dritte Gangster erledigen kann, taucht überraschend Amy auf die bereits beim ersten Schuss aus dem Zug in die Stadt geeilt ist und erschiesst den dritten Gangster von hinten. Aber sie wird von Miller als Geisel genommen, kann sich aber losreissen und gibt damit Kane freies Schussfeld, sodass dieser seinen Widersacher endlich zur Strecke bringen kann. Und nun tauchen plötzlich aus allen Richtungen die Bürger auf um erleichtert den Tatort zu begaffen und Kane zu gratulieren. Aber der Marshal blickt sie nur kalt an und wirft ihnen den Stern vor die Füsse. Anschliessend besteigt er mit Amy wieder den Buggy aus der Anfangsszene und verlässt endgültig die Stadt.
Abschliessend noch eine Anmerkung zu dem berühmten Urteil John Waynes, der den Film als un-amerikanisch abtat. Dies hatte nicht nur mit der Rettung von Kane durch eine Frau zu tun, Howard Hawks störte vor allem der Gedanke, dass Gary Coopers Marshal geradezu kopflos durch die Stadt rennt, um die Bürgerschaft um Hilfe zu bitten, dies empfand er als politisch unkorrekt und moralisch geradezu verwerflich. Um den Kontrast zu High Noon zu betonen, stellte Hawks dem einsamen Gary Cooper die camaraderie von John Wayne, Dean Martin und Walter Brennan gegenüber, die zudem auch mit einer gesunden Portion Humor ausgestattet ist. Hinzu kam, dass der Duke die Schluss-Szene mit dem Stern missverstand. Er dachte nämlich, dass Kane den Stern nicht nur in den Staub warf, sondern diesen auch noch mit dem Stiefelabsatz hineinstampfte. Hierzu muss man verstehen, dass die Amerikaner gewissen nationalen Symbolen wie der Flagge und eben auch Dienstabzeichen (ein Marshal war ein Bundesbeamter) mehr Respekt entgegenbringen als wir Europäer. 1971 nutzte Don Siegel die Symbolik, indem er Dirty Harry Callahan (Clint Eastwood) am Ende seine Dienstmarke verächtlich ins Wasser werfen lässt.
High Noon wurde 1953 für sieben Oscars nominiert. Ausgezeichnet wurden Gary Cooper als bester Darsteller, Dimitri Tiomkin und Ned Washington für den Song "Do Not Forsake Me, oh My Darlin'", Tiomkin für die Musik, Elmo Williams und Harry Gerstad für den Schnitt. Bester Film wurde The Greatest Show On Earth von Cecil B. DeMille. Im Gegensatz zu High Noon ist er inzwischen fast vergessen. Aber Western hatten selten die Chance, einen Oscar als bester Film zu gewinnen.
1. Fred Zinnemann: An Autobiography. London 1992
2. Phillip Drummond: High Noon. BFI 1997
3. Foremans Agent fielen einige Übereinstimmungen mit der 1947 erschienen Kurzgeschichte The Tin Star von John Cunningham auf, worauf Foreman die Rechte kaufte und Cunninghams Name im Vorspann angegeben wurde.
4. New York Times, 8 May 1949
PS: Obwohl ich mit der DVD durchaus zufrieden bin, dachte ich trotzdem, dass manche Konturen nicht ganz so scharf sind wie sie sein sollten. Auch die von Floyd Crosby bewussten Überbelichtungen reduzieren manchmal Detailreichtum. Deshalb bestellte ich diese Blue Ray und muss feststellen, dass die Bildqualität geradezu enorm besser ist. Die Kameraführung und -technik von Floyd Crosby, der bewusst auf alle Filter verzichtete, um eine fast dokumentarische Atmosphäre zu schaffen kommen praktisch wie auf der Kinoleinwand prägnant zur Geltung. Auf die interessanten Extras wurde hier bereits hingewiesen.
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