5,0 av 5 stjärnor
Musikalische Reise zurück in die 80er
Recenserad i Tyskland 🇩🇪 den 31 oktober 2021
Nach über 4 Jahren legt die Band The War on Drugs (TWOD) aus Philadelphia mit ihrem Mastermind Adam Granduciel ihr mittlerweile fünftes Album „I don't live here anymore“ (IDLHA) vor. Dabei haben sie sich etwas abgewandt vom Stil der letzten beiden Alben „Lost in a Dream“ (LIAD) von 2014 und dem mit einem Grammy für das beste Rockalbum 2017 ausgezeichneten „A Deeper Understanding“ (ADU) mit ihren zum Teil sehr ausufernden und bis zu 10 Minuten langen Jam-Songs wie Thinking of a Place“ von ADU. Die Songs sind jetzt zwar nicht unbedingt kurz – der kürzeste Song „Wasted“ hat auch immerhin 4:10 Spieldauer – aber eben auch nicht mehr so lange wie viele der Songs auf den letzten beiden Alben. Man könnte vermuten, dass die Band doch etwas darauf schielt, mehr im Radio gespielt zu werden und doch bekannter zu werden. Noch immer gelten TWOD als Geheimtipp aus der Indie-Rock-Szene. Das verblüfft etwas, denn auch auf IDLHA bedient sich der Hauptsongwriter Adam Granduciel bisweilen schamlos wieder seinen dem Classic Rock zuzuordnenden Musikidolen Bruce Springsteen, Tom Petty, Bob Dylan (den er sogar explizit erwähnt), den Dire Straits und anderen Classic Rock-Acts. Man höre sich nur mal das Synthesizer-Riff beim Titeltrack an, das 1:1 dem von Don Henley's „Boys of Summer“ gleicht. Auch Anleihen an Def Leppard und den Simple Minds kann ich vereinzelt hier heraushören.
Es gibt einen weiteren deutlichen Unterschied dieses Albums zu den letzten beiden: Nicht mehr die Gitarren und ausgedehnte Gitarren-Soli stehen im Vordergrund der Musik, sondern 80er-Jahre-Synthesizer. Das hat auch mich anfangs etwas verstört, letztlich aber überzeugen die Songs auch in diesem neuen bzw. alten Sound – mit einer kleinen Ausnahme vielleicht: „Victim“ –, weil die Songs vom Songwriting her einfach (zu) gut sind.
Überhaupt ist die Produktion des Albums etwas gewöhnungsbedürftig, gerade auch weil man mit Classic Rock eigentlich eine eher konservative Produktion erwarten könnte. Aber bereits auf ADU hat sich z. B. beim ersten Song „Up all Night“ angedeutet, dass die Band ein Faible für Special Effects, Synthesizer, Drum Computer usw. hat. Und doch wäre auch auf IDLHA an der einen oder anderen Stelle etwas weniger an Technik mehr gewesen. Insbesondere der Gesang von Adam klingt oft übersteuert und verzerrt. So klingt die Produktion kühler als auf früheren Alben, die sich vor allem durch den warmen Sound und warmen Gesang ausgezeichnet haben.
Textlich geht es sehr persönlich zu. Es wird gemunkelt, dass Adam darin die Trennung von seiner Freundin und Mutter des gemeinsamen 2-jährigen Sohns Bruce (ja, benannt nach Bruce Springsteen) Krysten Ritter – die Jane, Jessie's Freundin aus Breaking Bad – verarbeitet, obwohl bis heute nicht wirklich bekannt ist, ob die beiden tatsächlich getrennt sind.
Track-by-Track-Review:
Es beginnt mit dem akustisch gehaltenen, sehr ruhigen „Living Proof“ (auch dieser Titel ist von Bruce Springsteen geklaut von dessen gleichnamigen Song auf dem 92er-Album Lucky Town). Das war auch die erste Single und ich muss gestehen, als ich den Song erstmals im Vorfeld gehört habe, war ich schon sehr enttäuscht. Jetzt im Gesamtkontext des Albums aber passt der Song richtig gut und stellt einen hervorragenden Einstieg in das Album dar. Erinnert etwas an „One Minute you're here“ von Springsteen auf seinem letzten Album „Letter for you“. 4/5
Mit „Harmonia's Dream“ kommt das erste Highlight des Albums. Irgendwie typischer TWOD-Song mit diesem gleichmäßigen Drumbeat, begleitendes Piano, Background-Vocals und zwischendurch immer wieder dezente Gitarren-Klänge – plus viel Synthesizer für einen vollen 80er Sound. 5/5
Ähnlich ist auch „Change“ aufgebaut. Klasse Song mit einem fast 2-minütigen instrumentalen Outro. Auch hier wieder das Piano, das zuweilen an Bob Seger und seine famose Silver Bullet Band oder auch an Bruce Hornsby erinnert. 5/5
„I don't wann wait“ beginnt sehr ruhig wie Phil Collins' „In the Air Tonight” mit stark elektronischen Klängen (viel Ähnlichkeit hat das Intro übrigens auch mit „Once“ von Pearl Jam!), hat aber nach diesem für TWOD sehr untypischen Intro sehr viel mehr zu bieten als „In the Air tonight“, bei dem man ja eigentlich den gesamten Song über nur auf das kurze Drum-Solo wartet 😉. Der Song entwickelt sich zu einem echten Kracher. Aufgrund des gewöhnungsbedürftigen und etwas zu langen Intros gibt es aber nur 4/5 von mir.
Bei Track 5 „Victim“ scheiden sich so ein wenig die Geister, wenn ich mir die Foren-Beiträge der Fans so ansehe. Die einen sehen darin den absoluten Übersong, andere und dazu zähle ich mich, ist der Song dann doch reichlich überproduziert. Es ist zwar einer der schnelleren Songs, der mit unzähligen Drumbeats und anderen elektronischen Sounds ordentlich zur Sache geht, mir ist es aber dann doch zu viel. Der Song wirkt steril und kalt. Und wenn dann bei ca. 3:30 diese quiekenden Synthesizer dazu kommen, tut es gar ein wenig weh in den Ohren. Aber offenbar Geschmacksache. 3/5
Der Titeltrack ist vielleicht dann doch der beste Song des Albums, was auch an dem oben bereits erwähnten Synth-Riff aus „The Boys of Summer“, einem meiner absoluten Lieblingssongs aus den 80ern, liegen kann und an den weiblichen Backgroundgesängen. Auch ist der Titeltrack der einzige Song, der etwas in den Ohren bleibt, ohne ein nervender Ohrwurm zu sein. 5/5
„Old Skin“ wäre mein Favorit des Albums, wenn da nicht das viel zu frühe Fadeout wäre. Mir absolut unerklärlich, wie man diesen superben Song einfach so abrupt ausblenden kann. Der Song baut sich ganz ruhig mit Piano-Klängen auf, bis bei 2:39 die Drums einsetzen und der Song zu einer wunderschönen Power-Ballade wird, wie man sie aus den 80ern von zahlreichen Hair-Metal-Bands kennt und die es so heutzutage nur noch ganz selten gibt. Um so unverständlicher, warum der Song dann nach dem Einsetzen der Harmonica so abrupt aufhört. Da fehlen mindestens zwei Minuten. Daher nur 4,5/5
Bei „Wasted“ zieht das Tempo wieder an. Auch wieder so ein typischer TWOD-Song mit treibendem Beat, schöner Melodie, die aber wiederum kaum im Ohr bleibt und doch sind es genau diese Art Songs, die uns TWOD-Fans so begeistern. 5/5
Das sehr persönliche „Rings around my Father's Eyes” ist eine akustisch gehaltene Ballade im Stile von „Suffering“ und „Disappearing“ von LIAD, gefällt mir aber sogar besser als die beiden alten. Sehr schön und beruhigend, weil sich hier die Produktion auch mal etwas zurücknimmt. 4,5/5
Das Album endet mit einem weiteren Highlight „Occasional Rain“, dem das ähnliche Schicksal widerfährt wie schon „Old Skin“, dass es zu früh ausgeblendet wird. Ansonsten aber ein wunderbarer Abschluss, der einen dazu verleitet, das Album gleich nochmal durchzuhören. 4,5/5
Insgesamt also ein weiteres sehr gutes, zuweilen aber überproduziertes TWOD-Album, das zumindest meine Erwartungen mehr als nur erfüllt, was angesichts der beiden grandiosen Vorgänger-Alben LIAD und ADU nicht einfach war. Ob TWOD damit endlich den Mainstream und ein größeres Publikum erreichen (wer will das eigentlich?), darf allerdings bezweifelt werden. Warum? TWOD machen Songs, zu denen man wunderbar träumen und einfach nur zuhören kann, ein bisschen so wie Pink Floyd. Allerdings bleiben die Melodien der allermeisten Songs nicht im Ohr, klingen - sind wir mal ehrlich - dann doch irgendwie alle sehr ähnlich, laden nicht zum Mitsingen ein, weshalb man bei Konzerten von TWOD auch weniger abtanzt sondern vielmehr verträumt lauscht, was da vorne auf der Bühne gezaubert wird.
The War on Drugs bleiben auch mit diesem Album eine meiner absoluten Lieblings-Bands und man kann sich auf die Deutschland-Konzerte im März/April freuen. Habe TWOD jetzt zweimal live gesehen – fantastisch (aber nicht unbedingt zum Abrocken 😉 ). Live dürften die Songs auch weniger elektronisch klingen, worauf ich mich besonders freue.
Gesamtbewertung 4,5/5 (aufgerundet auf 5)
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